Der Drachenkönig

     „Wir haben auf Sie gewartet, Ser Marek.“
Diese Worte hallen mir immer durch den Kopf, wenn der alte Kerkermeister für einen Moment meine Zellentür öffnet, um mir die dünne Brühe, die sie Mittagessen nennen, in diese dreckige Schale zu kippen. Könnt ihr hören, wie er leise mit sich selbst spricht? Die meisten Menschen in diesem Kerkertrakt sind nicht gerade gesellige Burschen, vielleicht liegt es daran.

     Mein Name ist Marek. Ich bin ein Meisterdieb von der Gilde aus Lo Tsang und entgegen der weit verbreiteten Meinung gehöre ich nicht in dieses miefige Loch von einem Kerker. Wenn ihr gewillt seid, euch für einen Moment auf das alte Stroh zu setzen, kann ich euch erzählen, wie es dazu kam, dass ich hier gelandet bin.
Oder habt ihr dringende Termine?
Das dachte ich mir.

     Ihr seid blass, holde Maid, vielleicht solltet ihr etwas essen, man kann ja beinahe durch euch hindurch sehen. Ihr seid vom Meeresvolk, richtig? An eurer Schärpe erkenne ich, dass ihr aus den Ländern des wilden Meeres stammt. Und nach den Verziehrungen an eurem Gewand zu urteilen, tippe ich auf die Provinz von Schlick. Ja, ich bin viel herumgekommen auf meiner langen Reise und ich bin sehr weit fort von zuhause.
Lo Tsang ist eine herrliche Stadt, wisst Ihr. Nur einen Steinwurf vom Drachengebirge entfernt.
Man kann die schneebedeckten Zacken an klaren Tagen sogar sehen. Ach, ich gerate ins Schwärmen, wenn ich an die grünen Wiesen und die dichten Wälder denke. 
Die Geschichte? Ja, richtig.
Also, wo war ich?
Ich war gerade in Asmoth, um einen Auftrag für einen reichen Großmagier zu erledigen. Gegen gutes Geld, versteht sich. Er wollte, dass ich ihm ein Jadeei von großem persönlichem Wert  zurückbringe, das ihm von einem alten Magier entwendet worden war. Allerdings konnte ihm mein Auftraggeber diesen Diebstahl nicht nachweisen. Und da er Angst um seinen Ruf hatte, ließ er mich zu sich rufen.
Die Aufgabe stellte sich als erstaunlich leicht heraus:

     Der Magier, Potzblitz oder so ähnlich hieß er, wohnte in der Stadt, also war das Eindringen in sein Haus für mich eine Leichtigkeit. Ich stieg einfach auf ein Dach am Anfang der Straße und lief bis zur richtigen Hausnummer.
Ein Fenster ist für einen Meisterdieb, wie mich, natürlich keine Herausforderung und so konnte ich schnell einbrechen. Im obersten Zimmer stand auch schon der Schrank, den mir mein Auftraggeber vorher genau beschrieben hatte.
Das Ei war etwa faustgroß und so grün wie eure Augen. Auf seiner Oberfläche waren winzige Runen eingeschnitzt, die leuchteten, wenn jemand mit ihnen in Berührung kam.
Ich packte dieses Ei also ein und verschwand, bevor mich jemand entdecken konnte.

     Ihr denkt euch sicher: wie kann ein Meisterdieb, der seinen Auftrag erledigt hat, geschnappt werden?
Tja, genau das ist das spektakuläre Ende der Geschichte und weshalb ich eigentlich nicht in diesem Loch sitzen dürfte.
Als ich das Haus meines Auftraggebers betrat, konnte ich noch seine Stimme hören, die sagte: „Wir haben auf Sie gewartet, Ser Marek“. 
Leider war ich lange genug unaufmerksam, so dass mich ein Scherge von hinten niederschlagen konnte. Und erwacht bin ich dann hier.

     Das Ei bin ich los, ebenso wie mein gesamtes Werkzeug, also ist ein Entkommen für mich unmöglich.
Nein, Ihr braucht kein Mitleid mit mir zu haben, ich habe mich selbst in diese Misere gebracht, aber ihr solltet nun schweigen, der Kerkermeister kehrt zurück. Und er mag es nicht, wenn man sich mit jemand anderem als mit ihm unterhält.
Der Kerkermeister hatte genaue Anweisungen von seinem Herrn erhalten. Er sollte den Dieb aus der Zelle holen und ihn in die Halle mit dem großen Kamin bringen.
Marek aber hatte andere Pläne.

     Es war nicht das erste Mal gewesen, dass man ihn in eine Zelle gesperrt hatte und wer schon mehr als einmal zum Tode verurteilt worden war, verlor irgendwann seine Naivität gegenüber dem Galgen.

     Noch immer dachte der Dieb an die Frau, die mit ihm in der Zelle gefangen war, während ihn der Kerkermeister durch die dunklen Gänge schob.
Es war lange Zeit her, dass er jemanden vom Meeresvolk gesehen hatte. Die Fremde war sehr weit fort von zuhause. Marek fragte sich, ob sie über den Fluss gekommen war, aber das war beinahe unmöglich. Sie war so blass gewesen, dass ihre Haut schon durchscheinend wirkte.
Er hingegen mit seinem schuppigen Leib hatte nicht gewagt sie zu berühren. Sie war so zart wie eine Porzellanpuppe. Vielleicht war sie ja eine Prinzessin?
Marek nahm sich vor, sie schnellstmöglich zu befreien.

     Nachdem die Sommerkriege beendet waren, hatten sein Volk und das Volk des Meeres es vorgezogen, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen.
Marek kannte Geschichten über die Sommerkriege, aber sie waren bereits seit vielen Jahren nur noch Legenden in den Herzen der Alten. 
Einstmals waren die Völker eng befreundet. Sie teilten sich die heiligen Reliquien der Gilden. Die Drachensteine der Gebirgsvölker und den Meeressand des Meeresvolkes.
War es so? Marek verfluchte sich selbst dafür, dass er in seiner Ausbildung bei den geschichtlichen Ereignissen lieber heimlich die Geldbörsen seiner Kameraden untersucht hatte, anstatt aufzupassen.
Er blickte kurz über die Schulter.
Der Kerkermeister hatte einen wichtigtuerischen Gesichtsausdruck aufgelegt und schubste den Dieb immer weiter den Gang hinunter. Marek lächelte.
Zu seiner Ausbildung gehörte auch der Nahkampf und während sein Begleiter wohl darüber nachdachte, was er alles mit dem jungen Dieb anstellen könnte, wenn er wieder alleine in seiner Zelle saß, zuckte Mareks Ellenbogen nach hinten.

     Der Kerkermeister grunzte, als Marek ihn am Kinn traf und fiel um wie ein gefällter Baum. Marek selbst jedoch spurtete los. Er war nicht im Haus seines Auftraggebers, da war er sich sicher, aber er war auch in keinem gewöhn-lichen Kerker. Während er auf leisen Sohlen durch die Gänge eines geradezu riesigen Palastes lief, hatte er das Gefühl, schon einmal in diesen Hallen gewesen zu sein und zielsicher trugen ihn seine Füße durch das große Gebäude.

     Plötzlich endete der Gang vor einer großen mit Bronze beschlagenen Holztür, die eigentümliche Szenen darstellte. Marek nahm sich einen Moment, um Atem zu schöpfen und betrachtete dieses Kunstwerk. Er erkannte eine Land-karte der Königreiche, das Drachengebirge mit Lo Tsang, weit entfernt vom wilden Meer im Süden mit den vielen Flüssen, und dazwischen die Grenze der Länder.  

     Er hatte das Gefühl durch diese Tür treten zu müssen, konnte sich aber nicht erklären, woher es kam. Es war ein innerer Drang, der ihn immer weiter trieb und als er sanft über die fein gearbeiteten Verzierungen fuhr, hatte er ein Gefühl, als hätte er schon hunderte Male vor dieser Tür gestanden. Langsam drückte er die große Doppeltür auf. Noch bevor er das Innere der Halle sehen konnte, wusste er, dass es sich um den Schrein des Wasserdrachen handelte. Er durchforstete sein Gehirn auf der Suche nach Antworten und plötzlich waren sie da, als wären sie schon immer in seinem Kopf gewesen.

     Der Schrein war abgedunkelt und der schwarze Stein an den Säulen, den Wänden und dem Boden tat sein übriges zu einer bedrückend düsteren Szenerie. Der Stein glitzerte wie das Universum mit seinen Millionen Sternen, als hätte jemand abertausend kleine Spiegel in das Material  gearbeitet.  In der Mitte stand ein Thron, beleuchtet von einer einzigen Öffnung in der Decke und trotz dieser Dunkelheit leuchteten die Wasserdrachen, die sich als Marmorstatuen um den Thron wanden wie das hellste Licht, das Marek jemals gesehen hatten.
Drei Stufen führten ins Innere des Schreins.
Der Dieb zögert auf der letzten Stufe. Nun konnte er durch die Dunkelheit erkennen, dass der Boden des Schreins mit Wasser bedeckt war. Erneut richtete er seinen Blick auf den Thron in der Mitte des Schreins. Der weiße Drache blickte in seine Richtung als hätte er auf den Dieb gewartet. Als Augen hatte der Drache Rubine, die schöner nicht hätten sein konnten. Der schwarze Drache blickte in die andere Richtung, von Marek fort.
Der Meisterdieb zog seine Schuhe aus und schritt ehrfürchtig durch das knöcheltiefe Wasser auf die Drachen zu.
Erst da erkannte er, dass auf dem Thron das Ei lag, das er dem Magier abgenommen hatte. Doch die Runen leuchteten nicht mehr in einem jadegrün, sondern erglühten tiefrot auf der grünen Oberfläche. Es war ein unheimliches Bild.

     Bei dem Thron angekommen, nahm er das Ei an sich und setzte sich. Er lächelte sanft und in ihm regte sich das Gefühl, nach vielen Jahren endlich zuhause zu sein. Hier gehörte er hin, doch etwas störte die Szene und als Marek schließlich seinen Blick von dem Ei löste und ihn auf die Tür richtete, konnte er den Mann sehen, der ihn in diese Misere gebracht hatte. Der Großmagier. Und dicht neben ihm die Frau vom Wasservolk.
„Ihr habt also euren Thron gefunden?“ Der Großmagier lachte leise und schritt langsam die drei Stufen hinunter. Seine bodenlange Robe raschelte leise bei jedem Schritt.
„Was hat das zu bedeuten?“, Mareks Stimme klang in seinen Ohren seltsam fremd, doch er wusste tief in seinem Inneren, dass er das Richtige tat. Erneut lachte der Großmagier.
„Ich würde es euch erklären, Dieb, aber ich kann nicht durch das Wasser laufen. Meine Magie verbietet es mir. Aber wenn Ihr dem Wasser befehlt sich zurückzuziehen, werde ich zu euch kommen und euch alles erklären.“
Marek richtete seinen Blick auf die Frau. Der Großmagier hielt sie fest, doch als sich ihre Blicke trafen, meinte er, als würde sie sanft ihren Kopf schütteln.
„Solltet Ihr euch jedoch dafür entscheiden, lieber den Helden zu spielen, werde ich meine magischen Fähigkeiten an der Prinzessin ausprobieren.“
Mareks Gedanken kreisten. Er war verwirrt.
So viele neue Emotionen regten sich in ihm, so viele neue Eindrücke machten sich in seinem Kopf breit und dieser Großmagier ließ ihn nicht dazu kommen, Atem zu schöpfen. Irgendetwas musste er tun.
Natürlich hätte er durch das Wasser waten und gegen den fetten Großmagier kämpfen können, aber als er aufstehen wollte, hielt ihn etwas auf dem Thron zurück.
Das Ei in seiner Hand leuchtete schwach und Marek versuchte sich zu erinnern, was es ihm sagen wollte. Er hatte das Gefühl, in seinem Geiste vor einer Tür zu stehen, die nur einen Spalt offen stand. Er musste versuchen, diese alten Erinnerungen seines Volkes aus den Tiefen der Vergessenheit zu holen, um zu erfahren, was er nun tun musste.

     Während sich ein bedrückendes Schweigen über diese Szene legte, hob Marek eine Hand, als hätte er es bereits hunderte Male getan und sprach laut: „Wir möchten nicht länger gestört werden!“
Bevor ihm selbst klar wurde, was er gerade gesagt hatte, fielen die großen Flügeltüren des Schreins donnernd zu. Ein Schatten huschte über die Wasseroberfläche, ehe es gänzlich dunkel wurde im Schrein.
„Du hast noch nicht alles verlernt, Dieb.“
Marek schüttelte eine innere Last von sich und blickte den Großmagier an.
„Die Drachen werden euch niemals helfen, die Macht in den Reichen an euch zu reißen“, sprach er leise.
„Ihr solltet eure Goldgier zügeln, alter Mann. Mag sein, dass ich mich nicht an alles erinnern kann, aber ich weiß, dass ich den Drachen niemals befehlen werde, euch zu gehorchen.“
„Wie ihr wünscht, Dieb“, war die Antwort des Mannes und ehe Marek etwas tun konnte, hatte er die junge Frau des Wasserstammes in das flache Wasser geworfen und murmelte einen Zauberspruch. Das Ei erstrahlte hell in einem roten Licht, als Marek von seinem Thron aufsprang.
Er streckte die Hand in ihre Richtung und rief in seinem Geiste alle Mächte der Welt an, sie zu retten. Für diesen Schrein sollte niemand sterben.
Das Ei schien in seiner Hand explodieren zu wollen und erfüllte den Raum für eine Sekunde mit einem gleißenden Licht. Marek konnte die Prinzessin schreien hören, aber als das Ei erlosch, war sie verschwunden, ebenso wie die Ru-nen auf der Oberfläche des Eies. Nur noch die rot-blau bestickte Schärpe und das lange weiße Gewand schwam-men auf dem Wasser.

     Doch noch etwas anderes war passiert, was Marek erst erkannte, als sich das Gesicht des Großmagiers vor Wut zu einer hässlichen Fratze verzog.
Marek drehte sich um und erschrak: der Thron war leben-dig geworden. Nein, nicht der Thron, der weiße Marmor-drache, der sich um den Thron geschlängelt hatte, bewegte sich. Seine Augen waren keine Rubine mehr, sondern lebendig und strahlten die Weisheit von Jahrhunderten aus. Vor Schreck hätte Marek fast das Jadeei fallen lassen, als der Drache langsam ins schwarze Wasser glitt.

     Gerade als Marek sich an den Anblick des Drachens ge-wöhnt hatte, hallte eine kräftige Stimme durch den Raum: „Ihr hättet es besser wissen sollen, alter Mann. Niemand bestiehlt mich aus Geldgier, ohne dafür Verantwortung tragen zu müssen.“ 
Der Magier, dem Marek das Ei abgenommen hatte, stand auf der obersten Treppenstufe und zeigte auf den Dieb.
Marek wusste nicht, wie ihm geschah. Alles passierte gleichzeitig, also richtete er seine Aufmerksamkeit wieder hilfesuchend auf den weißen Drachen.
Niemals hatte Marek etwas so Schönes gesehen. Trotz der Dunkelheit im Schrein konnte er die weißen Schuppen des Drachens im Wasser glitzern sehen. Sie bildeten eine Ein-heit mit den glitzernden Wänden. Nur seine roten Augen strahlten als Kontrast aus dem Wasser. Jede seiner Bewegungen war voller Stolz, Anmut und Schönheit. Marek konnte die Muskeln sehen, die sich geschmeidig unter den Schuppen bewegten.
„Der Wächter ist erwacht“, rief der Magier und warf lachend seine Hände in die Luft, ehe er sich wieder dem Dieb zuwandte: „Er hütet deine Vergangenheit.“
Der Großmagier hatte sich wieder gefasst.
Und Marek wusste nicht mehr, was er als nächstes tun sollte. Auf welcher Seite stand der Magier? Woher kannte der Großmagier so mächtige Zaubersprüche? Was wollte er von dem Drachen? Und was hatte er selbst als einfacher Dieb mit all dem hier zu tun?
In Marek loderte ein unbändiger Hass auf. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Leise flüsterte er: „Niemals werde ich dir gehorchen, alter Mann!“
„Glaubst du, ich kann deinen Drachen nicht vernichten, Dieb? Er ist ein Wesen des Wassers, ein Elementar! Und jedes Element lässt sich durch ein anderes vernichten.“

     Der Drache blickte zu Marek, als wartete er auf einen Befehl. Da zuckte dem Dieb plötzlich eine Idee durch den Kopf. Er erhob sich von Thron, legte das Ei auf die Sitzfläche und schritt anschließend durch das Wasser auf den weißen Wächter zu.
Er hatte das Gefühl, diesen Drachen bereits viele Jahre zu kennen, und wusste mit einem Mal, dass er sich diesem Wesen anvertrauen konnte. Als seine Hand die glatten Schuppen des Drachens streichelte, fühlte er sich ein Stückchen näher an seiner Heimat: Lo Tsang.
Der Drache drehte seinen riesigen Kopf dem Dieb zu und Marek flüsterte: „Der Großmagier muss sterben.“

     Ohne zu wissen, ob der Drache ihn verstanden hatte, setzte sich Marek in Bewegung. Er würde den bestohlenen Magier mit bloßen Händen töten, wenn er es auf einen Kampf anlegte. Seine Schritte wurden schneller, das Wasser spritzte um seine Füße, als er zuerst langsam und dann immer schneller auf den Magier zurannte.
Hinter sich konnte er den Großmagier schreien hören wie ein Ferkel am Spieß als der Drache seinem Befehl Folge leistete.
Marek rief sich alles in Erinnerung, was er im Nahkampf ohne Waffe in seiner Ausbildung gelernt hatte, auch wenn ihm bewusst war, dass er es mit einem übermächtigen Gegner zu tun hatte, sollte sich der Magier für einen Kampf gegen ihn entscheiden.
„Zeig uns dein wahres Antlitz, Dieb!“, rief der Magier und lachte.

    Plötzlich hatte Marek das Gefühl, als würde etwas seinen Körper zerreißen. Seine Haut ging in Flammen auf, seine Knochen brachen und fügten sich unter seiner Haut zu einer grotesken neuen Form zusammen. Der Dieb wurde wahnsinnig vor Schmerz, als ihm Muskeln und Sehnen im Inneren zerrissen, seine Eingeweide platzten und sich seine ganze Gestalt in Luft aufzulösen schien.
Der Schmerz schien eine Ewigkeit an zu dauern. Gerade als Marek dachte, er würde es nicht länger aushalten, landete der Dieb im kühlen Nass des Schreins. Er versuchte sich auf seine Beine zu stemmen, aber er gelang ihm nicht. Er wusste, dass er nun schrecklich entstellt war, dass er niemals wieder er selbst sein konnte. Er würde niemals wieder ans Tageslicht treten können, nachdem der Magier seinen Zauber über ihn ausgesprochen hatte.

     Die Stimme der Prinzessin holte ihn schließlich aus sei-ner Trance zurück:„Du hast es überstanden, Marek. Steh auf.“
Marek drückte sich hoch, soweit es sein Körper zuließ und betrachtete die Prinzessin. Auch sie hatte sich durch die Magie verändert. Aber trotzdem war sie wunderschön.
„Bin ich tot?“, fragte er sie.
Sie schüttelte sanft den Kopf, als der Magier plötzlich durch das Wasser auf ihn zuschritt.
„Hoheit“, murmelte er und kniete sich vor Marek.
Er wirkte mit einem Male so klein wie ein Spielzeug.
„Bitte verzeiht, dass ich euch nicht schon früher finden konnte. Aber endlich seid ihr wieder bei uns. Nun können sich die Völker wieder vereinen.“
Die Prinzessin kam auf ihn zu, und ihr schuppiger Leib schmiegte sich an seinen. Nun endlich erkannte er, was der Magier mit ihm gemacht hatte. Er hatte ihm seine ur-sprüngliche Form wieder gegeben, und mit dieser Form auch die Erinnerung an eine Zeit, bevor er zum Dieb geworden war.
Er war niemals ein Mensch gewesen. Die Prinzessin, nun in Form des weißen Wächters mit den rubinroten Augen, beobachtete ihn geduldig. 
„So lange habe ich auf dich warten müssen, Marek. Als du dich entschiedest fort zu gehen, um die Völker durch diese Prüfung, der du dich stelltest, wieder zu vereinen. Ich habe versucht, dir zu folgen, doch bereits vor den Toren hatte ich dich aus den Augen verloren, und so musste ich durch die Welt ziehen, auf der Suche nach dir. Erst der Groß-magier erkannte, wer wir waren und brachte uns hierher, in der Hoffnung, wir würden uns ihm ergeben.“

 Marek nickte und blickte zum Jadeei zurück.
„Hat uns dieses Ei wieder zusammengebracht?“, fragte er leise.
Die Prinzessin schüttelte den Kopf, als das Ei sich zu bewegen begann. Die Schale zerbrach und ein kleiner grauer Drache streckte seinen Kopf in das Licht der Welt, wäh-rend es weiter auf ihn herabregnete.
„Dein Thronfolger, Marek. Der Großmagier glaubte wohl, dass er das Ei mit den Runen davon abhalten könnte, zu zerbrechen und deinen Nachfolger auf diese Welt zu schicken.“
Marek lächelte und drückte seinen langen schwarzen Leib an den seiner geliebten weißen Prinzessin, während sein Sohn leise nach seinen Eltern rief.
Endlich war er zuhause. 

 

 

 

 

 

 

 

 
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